Eine der wohl bemerkenswertesten Serien aus Jan Bauers Antiken-Zyklen trägt den Titel „Faces“. Sie ordnet sich zunächst wie selbstverständlich neben „Pantheon“ und „Left Arm misssing“ in die Antiken-Zyklen ein. Wie in den anderen Serien wählt Bauer auch hier die griechisch-römische Antike als Referenzpunkt seiner Arbeit und schließt sich auch in „Faces“ einer seit der Renaissance bestehenden Tradition verschiedenster Künstler an, für die eine Beschäftigung mit antiken Vorbildern selbstverständlicher Bestandteil ihrer Biografie war und ist.
Der englische Begriff „Faces“ als Titel dieser Serie ist sehr bewusst gewählt. Als Nomen ist der Begriff die direkte Übesetzung für den Gegenstand, den Bauer darstellt, nämlich das Gesicht. In der Verbform kann „to face“ darüber hinaus „gegenübertreten“, oder gar „sich stellen“ bedeuten. Auch diese Komponenten kommen in „Faces“ zum Tragen, denn es ist hier der Blick, der nicht nur auf ein Objekt der Vergangenheit gerichtet ist sondern in dem sich der Betrachter in einem Face-to-Face mit einer in der Antike portraitieren Person wiederfindet. So hält er sowohl durch Bauers Werk als auch durch die Arbeit des antiken Bildhauers Zwiesprache mit dem Menschen und dessen Zeit. Dieser Vergänglichkeit in ihrer personifizierten Ausprägung gegenüber zu treten bedeutet auch, sich seinen Emotionen und dem Thema Sterblichkeit zu stellen. Der Betrachter baut ein persönliches Verhältnis auf, wodurch sich ein abgebrochenes Stück Stein in eine Verletzung, ein Riss im Material in eine tiefe Wunde und ein fehlendes Stück in eine nahezu spürbare Qual verwandeln können.
Die tausendjährige Geschichte jeder Statue, die sich in das Material eingegraben hat und gerade durch Risse und fehlende Teile spürbar wird, ist auch hier das, was Bauer interessiert. In „Faces“ sieht sich der Betrachter direkt dem menschlichen Antlitz gegenüber. Obwohl auch das Fragment einer Wand oder ein brüchiger Torso für das Memento Mori stehen, ist es der direkte Blick in die Augen einer vor tausenden Jahren dargestellten Person, der die Vergänglichkeit unmittelbar spüren und den Betrachter erschaudern lässt, wie bei Oscar Wildes „Bildnis des Dorian Gray“. Die Tatsache, dass der Betrachter der Bilder emotional reagiert und eine beinahe persönliche Verbindung mit der dargestellten Person eingeht, steht im Mittelpunkt von Jan Bauers Werk und wird durch die Darstellung verschiedener Gesichter in unterschiedlichen Verfallsstadien auf die Spitze getrieben: Vom nahezu intakten Angesicht über fast noch vollständige Gesichter, denen lediglich ein Teil, wie zum Beispiel die Nase, fehlt, erreicht die Serie schließlich fratzenhaft anmutende Gesichter, bei denen kaum noch zu erahnen ist, was das eigentliche Antlitz ausmachte. Durch die überlebensgroße Darstellung zeigt sich der Gegenstand in eindrucksvoller Monumentalität und gleichzeitig äußerst fragil. Die ursprüngliche Idee, eine Person „in Stein gemeißelt“ gleichsam für die Ewigkeit festzuhalten, wird durch die Tatsache ad absurdum geführt, dass der Zahn der Zeit die Statue teilweise bis ins Groteske transformiert hat.
Das Groteske ist hier keine Fantasiegeburt des Malers sondern stützt sich auf tatsächlich vorgefundene Realität. Dieser Aspekt macht „Faces“ zu einem weiteren Beispiel für Jan Bauers „Dokumentarische Malerei“. Was für diese essentiell ist, findet sich auch hier: Ein künstlerisch-wissenschaftliches Interesse, das durch serielles Arbeiten, ähnlich einer Versuchsanordnung, nach Erkenntnis strebt. In „Faces“ geht es auch um die Frage, ab wann ein Gesicht überhaupt noch als menschliches Antlitz wahrgenommen wird.
Wie es für die Dokumentarische Malerei Jan Bauers typisch ist, setzt er auch in „Faces“ auf detailgenaue Darstellung. Dieses exakte Erfassen jedes Details wirkt auf den ersten Blick wissenschaftlich- objektiv. Die Darstellungen sind jedoch von schlichter Mimesis oder bloßer Nachahmung weit entfernt. Durch die ungewöhnlichen Blickwinkel und Ausschnitte, die Bauer für sein Werk wählt, eröffnet sich ein interessantes Spannungsfeld, das den Betrachter unweigerlich zu der philosophischen Frage nach Subjektivität und Objektivität führt. Ihm wird es kaum möglich sein, sich der emotionalen und persönlichen Ebene der Serie zu entziehen. Der Künstler legt gleichsam den Finger in die Wunde um das, was man eigentlich sonst übersieht, ins Zentrum zu rücken. Dies geschieht in einem ehrfurchtsvollen Dialog mit dem antiken Bildhauer und seiner Zeit. Die Akribie, mit der jedes noch so kleine Detail eingefangen wird, ist Jan Bauers Verneigung vor den Menschen der damaligen Zeit. Bauer ergänzt in „Faces“ das Thema Zeitlichkeit um die Ästhetik des Verfalls. Auch wenn die meisten Betrachter viele Bilder zunächst als verstörend wahrnehmen, zielt Bauer darauf ab, Spannung und Schönheit, die jeder Verfall in sich birgt, selbst im entstelltesten Gesicht zu zeigen. Das Fehlende, die Brüche und scheinbare Störungen werden nicht ausgespart oder beschönigt, sondern in den Mittelpunkt gerückt. Bauer macht das Fragile, Vulnerable, das gerade durch seine scheinbare Imperfektion eine besondere Ästhetik entfaltet, sichtbar. Die entstehenden Leerstellen eröffnen neue Räume und Sichtweisen auf etwas eigentlich Vertrautes.
One of the most remarkable series from Jan Bauer's antique cycles is entitled "Faces". Initially, it sits naturally alongside "Pantheon" and "Left Arm Missing" in the antiquity cycles. As in the other series, Bauer chooses Greco-Roman antiquity as the reference point for his work and, in "Faces", also joins a tradition that has existed since the Renaissance of various artists for whom a preoccupation with antique models was and is a natural part of their biography.
The English term "Faces" as the title of this series was chosen very deliberately. As a noun, the term is a direct translation for the object that Bauer depicts, namely the face. In the verb form, "to face" can also mean "to confront" or even "to face". These components also come into play in "Faces", because here it is the gaze that is not only directed at an object from the past, but in which the viewer finds himself face-to-face with a person portrayed in antiquity. Thus, through Bauer's work as well as through the work of the ancient sculptor, he holds a dialogue with man and his time. Confronting this transience in its personified form also means confronting one's emotions and the theme of mortality. The viewer establishes a personal relationship, whereby a broken piece of stone can turn into an injury, a crack in the material into a deep wound and a missing piece into an almost palpable agony.
The thousand-year history of each statue, which has become engraved in the material and can be felt precisely through cracks and missing parts, is also what interests Bauer here. In "Faces", the viewer is confronted directly with the human face. Although the fragment of a wall or a fragile torso also stand for the memento mori, it is the direct look into the eyes of a person depicted thousands of years ago that makes the viewer immediately feel the transience and shudder, as in Oscar Wilde's "Portrait of Dorian Gray". The fact that the viewer of the pictures reacts emotionally and enters into an almost personal connection with the person depicted is at the heart of Jan Bauer's work and is taken to extremes through the depiction of various faces in different stages of decay: From almost intact faces to almost complete faces with only one part missing, such as the nose, the series finally reaches grimacing faces in which it is barely possible to guess what the actual face was made of. The larger-than-life depiction makes the object appear both impressively monumental and extremely fragile at the same time. The original idea of capturing a person "carved in stone" for eternity, as it were, is rendered absurd by the fact that the ravages of time have partially transformed the statue into something grotesque.
The grotesque here is not a figment of the painter's imagination but is based on actual reality. This aspect makes "Faces" another example of Jan Bauer's "documentary painting". What is essential for this can also be found here: An artistic-scientific interest that strives for knowledge through serial work, similar to an experimental set-up. "Faces" is also about the question of when a face is still perceived as a human face.
As is typical of Jan Bauer's documentary painting, in "Faces" he also focuses on detailed representation. At first glance, this exact capture of every detail appears scientific and objective. However, the depictions are far removed from simple mimesis or mere imitation. The unusual angles and details that Bauer chooses for his work open up an interesting field of tension that inevitably leads the viewer to the philosophical question of subjectivity and objectivity. It will hardly be possible to escape the emotional and personal level of the series. The artist puts his finger in the wound, as it were, in order to bring to the fore what would otherwise be overlooked. This happens in a reverent dialog with the ancient sculptor and his time. The meticulousness with which every little detail is captured is Jan Bauer's bow to the people of the time. In "Faces", Bauer adds the aesthetics of decay to the theme of temporality. Even if most viewers initially perceive many of the pictures as disturbing, Bauer aims to show the tension and beauty that all decay harbors, even in the most disfigured face. The missing elements, the fractures and apparent disruptions are not omitted or glossed over, but are brought into focus.
Bauer makes the fragile, the vulnerable, which unfolds a special aesthetic precisely through its apparent imperfection, visible. The resulting voids open up new spaces and perspectives on something that is actually familiar.