Die Antike ist seit der Renaissance das wichtigste Leitbild der europäischen Kunst. Immer wieder beschäftigten sich Künstler intensiv mit den antiken Vorbildern und strebten nach dem Idol der einstigen Größe. Es galt, dem Qualitätsmaßstab der Antike zu entsprechen oder sich ihm wenigstens anzunähern. So thematisierte zum Beispiel Johann Heinrich Füssli in seiner Zeichnung „Der Künstler, verzweifelt vor der Größe der antiken Trümmer“ das Spannungsfeld zwischen Lust und Frust, in dem jeder Künstler damals zu bestehen hatte. Als Maler oder Bildhauer aus dem Norden Europas war es lange Zeit eine Selbstverständlichkeit, sich auf den Weg über die Alpen nach Italien zu machen und dort die Relikte antiker Kultur selbst in Augenschein zu nehmen. Auf diese Tradition verweisen die Arbeiten Jan Bauers aus dem Werkzyklus "Pantheon".
Es handelt sich um Kohlezeichnungen, die dezent mit Aquarellfarben koloriert wurden. Eben jene Sparsamkeit der Materialien erinnert an die Art, wie die Künstler auf ihren Reisen arbeiteten, um ihre Skizzenbücher mit Eindrücken zu füllen. Auf der damals noch sehr mühsamen Überquerung der Alpen konnten die Künstler keine aufwändigen Staffeleien und kein umfangreiches Arsenal an Farben mitführen.
Mit möglichst schlichten Materialien, dafür aber mit umso größerem Enthusiasmus, versuchten die Künstler, das Gesehene festzuhalten und sich visuelle Notizen zu erstellen, die als Gedankenstützen für eine spätere Ausarbeitung dienen konnten. Gerade die Schlichtheit und die dezente Ausführung entfaltet im Ergebnis ihren ganz eigenen Charme und lässt dem Betrachter Raum für Assoziationen. Die Arbeit „Pantheon“ reiht sich in diese Tradition ein und greift diesen Aspekt daher in der Ausführung und der Wahl der Materialien auf.
Ein anderer Aspekt, der Jan Bauer in den Bildern der Serie interessierte, ist das Genre der wissenschaftlichen Zeichnung. Vor Ent-deckung der Fotografie waren Zeichnungen lange Zeit das einzige Medium, um wissenschaftliche Erkenntnisse zu fixieren. Im Grunde ist die Zeichnung noch heute in der Wissenschaft unverzichtbar, um Sachverhalte verständlich darzustellen. Interessant ist der entstehende Widerspruch zwischen einem scheinbar objektiven, dokumentarischen Blick auf der einen und einem individuellen, subjektiven Eindruck auf der anderen Seite. Ebenso wissenschaftlich mutet das Informationsfeld an, das jeder der Zeichnungen hinzugefügt wurde: Hier wird der Betrachter über Sujet, Ort, Datum und den Namen des Künstlers in Kenntnis gesetzt. Nur durch diese Information, wird dem Betrachter klar, um welches antike Gebäude es sich in der Darstellung handelt.
Noch wichtiger sind Jan Bauer die Details und die Geschichten, die sie erzählen. Es geht also vielmehr um ein Gefühl von Geschichtlichkeit, das die antiken Gebäude umweht und das Bauer in seinen Werken sichtbar macht. Wie Falten im Gesicht eines alten Menschen haben sich die Furchen im Laufe der Zeit in die Oberfläche des Gebäudes eingegraben. Als Künstler und eben nicht als Wissen-schaftler, richtet sich der Blick des Malers auf diese Details und Spuren aus den verschiedensten Epochen und auf das Gefühl, dass ein Gebäude in gewisser Weise eine über 2000-jährige Geschichte transpirieren kann. So sieht man auf den Abbildungen zum Beispiel Spuren eines früher vorhandenen Daches und viele weitere Narben, die der Zahn der Zeit im Mauerwerk hinterlassen hat. Das Auge des Betrachters wird durch die Darstellung des eigentlich vertrauten Gebäudes in einer Art Mikroaufnahme auf Details gelenkt und dann beim Lesen der Informationstafel damit überrascht, einen neuen Blick auf etwas Bekanntes gewonnen zu haben. Zusätzlich vermitteln die Abbildungen auch einen suchenden Blick, der sich auf Ungewöhnliches richtet und die eine oder andere Entdeckung oder Kuriosität zeigt, die ein Besucher der antiken Stätte nicht unbedingt sofort bemerkt. So zeigt sich zum Beispiel neues Mauerwerk, das altes simuliert. Es finden sich Messpunkte zur Überwachung des Gebäudes oder ein Kabel, das auf der Marmorfassade liegt und zu einer Überwachungskamera führt. Das Gebäude wird gescannt, der Blick wird auf Details gelenkt, in denen er sich voller Lust am Schauen verlieren kann.
Insgesamt liegt der Serie „Pantheon“ also nicht nur ein großes Interesse an der Tradition der Italien-Reise, des wissenschaftlichen Blicks sowie der Geschichtlichkeit und deren Sichtbarkeit zugrunde. Vielmehr eröffnet Jan Bauer in seinen Arbeiten auch immer wieder neue Blickwinkel und Betrachtungsweisen von eigentlich vertrauten Orten und positioniert sich und sein Werk so im Spannungsfeld zwischen subjektivem Empfinden und einem objektiven dokumentarischen Blick.
Text: Jan Bauer, Christine Roder
Since the Renaissance, antiquity has been the most important model of European art. Again and again, artists intensively studied the antique models and strove for the idol of the former greatness. The aim was to meet the quality standard of antiquity or at least to come close to it. In his drawing "The Artist, Despairing of the Greatness of the Ancient Ruins," for example, Johann Heinrich Füssli addressed the tension between pleasure and frustration in which every artist had to exist at that time. As a painter or sculptor from northern Europe, it was for a long time a matter of course to make the journey across the Alps to Italy and to take a look at the relics of ancient culture for oneself. Jan Bauer's works from the cycle "Pantheon" refer to this tradition.
They are charcoal drawings that have been discreetly colored with watercolors. It is precisely this economy of materials that recalls the way artists worked on their travels to fill their sketchbooks with impressions. On the then still very arduous crossing of the Alps, the artists could not carry elaborate easels and an extensive arsenal of paints.
Using the simplest possible materials, but with all the greater enthusiasm, the artists tried to record what they had seen and to make visual notes that could serve as aids to thought for later elaboration. It is precisely the simplicity and the discreet execution that unfolds its very own charm in the result and leaves the viewer room for associations. The work "Pantheon" joins this tradition and therefore takes up this aspect in the execution and the choice of materials.
Another aspect that interested Jan Bauer in the images of the series is the genre of scientific drawing. Before the discovery of photography, drawings were for a long time the only medium for recording scientific findings. Basically, drawing is still indispensable in science today in order to present facts in a comprehensible way. It is interesting to note the contradiction that arises between an apparently objective, documentary view on the one hand and an individual, subjective impression on the other. The information field added to each of the drawings seems just as scientific: Here the viewer is informed about the subject, place, date and the name of the artist. Only through this information, the viewer becomes clear about which ancient building it is in the representation.
Even more important to Jan Bauer are the details and the stories they tell. So it is more about a sense of historicity that surrounds the ancient buildings and that Bauer makes visible in his works. Like wrinkles in the face of an old person, the furrows have etched themselves into the surface of the building over time. As an artist and not as a scientist, the painter's gaze is directed at these details and traces from various epochs and at the feeling that a building can, in a certain way, transpire a history of over 2000 years. For example, in the illustrations one can see traces of an earlier roof and many other scars that the ravages of time have left in the masonry. The viewer's eye is drawn to details by the depiction of the actually familiar building in a kind of micro-photograph and is then surprised by having gained a new view of something familiar when reading the information panel. In addition, the illustrations also convey a searching gaze that focuses on the unusual and reveals one or two discoveries or curiosities that a visitor to the ancient site might not immediately notice. For example, new masonry simulating old shows up. There are measuring points for monitoring the building or a cable lying on the marble facade leading to a surveillance camera. The building is scanned, the eye is drawn to details in which it can lose itself full of the pleasure of looking.
All in all, the series "Pantheon" is thus not only based on a great interest in the tradition of traveling to Italy, the scientific gaze as well as historicity and its visibility. Rather, in his works Jan Bauer also repeatedly opens up new perspectives and ways of looking at places that are actually familiar, thus positioning himself and his work in the field of tension between subjective feeling and an objective documentary view.
Text: Jan Bauer, Christine Roder